Die Comtessa by Ulf Schiewe

Die Comtessa by Ulf Schiewe

Autor:Ulf Schiewe [Schiewe, Ulf]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
ISBN: 9783426409015
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2011-10-19T22:00:00+00:00


La Tramontanha

In Begleitung des secretarius des ehrwürdigen Klosters Santa Maria de Vallespir verließen Felipe und Raimon noch im Morgengrauen die Burg und machten sich auf den Weg nach Fourques. Severin und Jori schlossen sich ihnen für eine kurze Wegstrecke an, um dann auf eigene Faust die nähere Umgebung zu erkunden. Severin hatte außerdem vor, Jori einige Feinheiten im Umgang mit Pferden beizubringen. Schließlich hatte er sich geschworen, aus ihm einen brauchbaren Pferdeknecht zu machen.

Fraire Aimar machte einen Rundgang durch das Dorf, und Rogier schlief tief und fest nach der langen Nacht. So fanden sich Arnaut und Ermengarda auf unerwartete Weise allein miteinander. Castel Nou lag wie ausgestorben da. Nichts regte sich außer den Wachen und den Küchenmägden, die ihnen das Morgenmahl richteten. Später hörten sie einen kurzen Moment Pferdehufe im Burghof, doch dann wurde es wieder still.

Beim Essen konnte Arnaut nicht die Augen von Ermengarda wenden. Immer, wenn sie den Blick zu ihm hob, ging ihm ein Stich durchs Herz. Warum hatte Gott ihr nur so unmöglich blaue Augen geschenkt? Und diese Lippen. Dazu eine Haut wie ein Engel, obwohl sie nach dem Ritt durch die Corbieras nicht mehr so bleich war, wie die feinen Damen in Narbona es bevorzugt hätten. Aber Arnaut gab nichts auf feine Damen. Bei la Bela hätte die Männerkleidung, die sie trug, blankes Entsetzen ausgelöst. Arnaut dagegen fand sie reizend in Tunika und ledernen Hosen. Sie hätte sich ein Zelt überstülpen können, er wäre begeistert gewesen.

Er beobachtete ihre zarten Hände, wie sie mit dem Messer umgingen, Butter auf das Brot strichen. Am liebsten hätte er diese Hände in die seinen genommen, sie gehalten und zärtlich geküsst. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, wie stark dieses Verlangen war, und das beschämte ihn. Er hatte kein Recht, so zu empfinden. Noch peinlicher wurde es ihm, als er merkte, dass seine Blicke ihr nicht entgangen waren, denn es erblühte eine feine Röte auf ihren Wangen. Sie schien verlegen und wurde still. Er hoffte inständig, sie nicht beleidigt zu haben. So beendeten sie ihr Morgenmahl in angespanntem Schweigen und wagten kaum, einander anzusehen.

Um sich die Zeit zu vertreiben, stiegen sie auf die Zinnen. Hier wehte ein kühler Wind von Westen, leichte Wolken segelten am Himmel. Die Wachen entfernten sich rücksichtsvoll. Im Dorf unterhalb der Burg gingen die Menschen ihrem Tagwerk nach, Schafe blökten, Dorfköter bellten. Gausbert und der seltsame Spuk des gestrigen Abends waren wie weggeblasen.

Neugierig sahen sie sich um. Aus dem lateinischen castellum novum, der Neuen Burg, war Castel Nou in der lenga romana des Volkes geworden. Ein ausgezeichneter Ort für eine Feste. Das Tal war auf allen Seiten von bewaldeten Höhen umgeben. Es gab genug Ackerland, um das Dorf zu ernähren, und mittendrin sprang der Burghügel aus dem Boden, als hätte Gott ihn zu ebendiesem Zweck dorthin gepflanzt.

»Ich wünschte, ich könnte reden wie Peire Rogier«, sagte Arnaut, der sich ein Herz gefasst hatte. Ermengardas Hände lagen auf dem rauhen Stein der Zinne. Jetzt sah sie ihn fragend an.

»Ich meine, er weiß, wie man einer domna den Hof macht.



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